Leonie fuhr morgens für drei Tage nach Berlin, um bei Laras „8-Klassen Arbeit“ anwesend zu sein. Da das Wetterfenster an diesem Tag gut war, beschloss ich den langen Schlag von Warnemünde nach Hiddensee alleine zu fahren. Der Wetterbericht meldete 5-6 Bft. aus Westen. Die Richtung stimmte. Auch Sonne wurde versprochen. Allerdings hätte mir auch ein 3-4 gereicht. Aber gut. Raus aus der Box und noch im Hafenbecken Fender und Leinen verstauen. Das dauert gerne mal 20 Minuten, wenn man das alleine macht und die Moyenne immer wieder in den Wind stellen muss (Heck zum Wind).
Ich hatte das erste Reff im Großsegel dringelassen und das war auch gut so. Hinzukam die Selbstwendefock. Kaum aus dem Hafen und auf Kurs spürte man den hohen Seegang, der sich die letzten Tage aufgebaut hatte. Moyenne lief schnelle 7 Knoten und mehr. Geschoben von einer schönen Welle sollte der Maximum Speed bei 9.6 liegen. Die achterlich anlaufende Welle inkl. Schaumkronen wirkten schon beeindruckend. Anfangs steuerte ich selbst, dann übernahm der Autopilot die Arbeit. Das machte er echt erstaunlich gut. So konnte ich mich immer wieder mal im Salon aufwärmen und die Navigation übernehmen. Nach ca. 3 Stunden rundete ich die Spitze vom Dars. Fast hätte ich noch eine Untiefen-Tonne gerammt. Wusste, dass ich darauf zufuhr, nicht aber, dass ich so schnell war. ich stand gerade in der Pantry, schaute kurz nach vor und musste mich dann sputen, um den Autopiloten auszustellen und Moyenne um die Tonne rumzukurven. Das hätte noch gefehlt. Nichts los aber eine Tonne rammen. Ist nochmal gut gegangen.
Weiter ging es dann fast vor dem Wind. Das ist ein etwas undankbarer Kurs . Die Selbstwendefock ist hier ungeeignet und schlägt oft von einer zu anderen Seite, so dass ich sie bald wegnahm. Das Wetter war nach wie vor super, aber der Wind nahm weiter zu und auch die Wellen wurden nicht weniger. Moyenne glitt relativ unbeeindruckt durch die stark bewegte Ostsee in Richtung Osten. Der Vorteil des Deckssalons zeigte sich auf dieser langen Fahrt (am Ende knapp 50 SM). Wenn man von Wind, Sonne, Kälte und „Lärm“ genug hatte ging man in den Salon, schloss die Tür und dann war Ruhe. Und zwar wirklich. Es klapperte nichts, das das Geschirr sicher verstaut war und auch sonst knarrte und scharrte nichts. Erstaunlich. Es zeigt, wie solide das Schiff gebaut sein muss.
Ich entschloss mich Hiddensee nicht nördlich zu umfahren, sondern bog nach Süden in den Gellenstrom ab. Das Großsegel wurde geborgen und die Maschine gestartet. Die Welle nahm zwar auf Grund der Landabdeckung ab aber der Wind bließ immer noch mit teilweise 20 Knoten. Daher entschied ich mich, doch Barhöft anzulaufen und nicht nach Kloster (Nordspitze von Hiddensee) weiterzufahren. Den kleinen Hafen kannte ich von einem früheren Törn. Also nichts wie hin. Im engen Hafenbecken klarierte ich die Leinen und fuhr rückwärts an eine Schwimmsteg. Als ich die wichtige Achter-Luvleine fest hatte, kam der Hafenmeister, um zu helfen. Hätte auch 5 Minuten früher kommen können. Egal. Dann erstmal Durchschnaufen. Zeug ausziehen. Landstrom legen und ein Anleger-Weißwein trinken. Danach machte ich klar Schiff und dann gings ins nette Hafenrestaurant. Pizza mit Scampi, dazu ein Glas Lugana. Wieder an Bord schnappte ich mir eine Decke, ein Glas Rotwein und eine Zigarre (hatte ich von Lilis Freund bekommen) und ließ den Abend geruhsam ausklingen. Nach 45 Minuten wurde es mir dann zu kalt und ich verzog mich nach einer Dusche in die gemütliche Koje. Mit dem Tag und dem ersten langen Solo-Schlag mit der Moyenne war ich sehr zufrieden. So kann es weitergehen. Nur etwas wärmer bitte.
© Gustav Burckschat
2 thoughts on “Solofahrt nach Hiddensee”
Testkommentar nach Anmeldung
Was für ein Abenteuer… ich wünsche immer eine handbreit Wasser unterm Kiel und für die besten Augenblicke eine gute Zigarre!