Am Freitag klingelt der Wecker ungewohnt früh, nämlich um 06.45 Uhr. Ich will früh los, um an die schwedische Westküste zu segeln. Vorher bunkerte ich noch Diesel. Wasser hatte ich gestern Abend schon aufgefüllt und Bilge, Motoröl, Keilriemen und Kühlwasser kontrolliert.
Leider war der vorhergesagte Wind nicht da, wo er sein sollte. Erschwerend kam eine hohe Dünung aus Süden dazu, die sich über die letzten Tage aufgebaut hatte. So ging es überwiegend unter Maschine in Richtung Westen. Das Schiff schaukelte in den seitlichen Wellen sehr ordentlich. Der Großbaum geigte entsprechend hin und her und ich sah, dass sich der Bolzen gelöst hatte. Bei der Schaukelei einen neuen Schäkel samt Bolzen zu installierten kostete Zeit und Nerven. Die Feder, die den Block vom Bügel weghält wäre dabei fast ins Wasser gehopst. Nun verbannte ich sie in den Kartentisch und werde sie später einfügen.
Kurz vor der Einfahrt in die Schären fing es an zu regnen. Über dem Wasser entstand eine „Dampfschicht“, was der Umgebung eine mystischen Note gab. Ich machte die Schotten dicht und steuerte Moyenne von innen in die Schärenwelt hinein. An die schwedischen Karten muss man sich auch erst wieder gewöhnen. Ich glaube, sie sind ähnlich unübersichtlich wie die finnischen. Durch die kleinen Maßstäbe ist es schwer, einen Gesamtüberblick zu bekommen, wenn man längere Strecken planen will. Ich fuhr ein kleines Stück einen größeren Sund nach Süden und erblickte dann auf der linken Seite, die Bucht in der ich bleiben wollte. Es gab einen Fähranleger und einen Anleger bei einen Restaurant, welches oberhalb auf einen Felsen stand. Am Steg standen zahlreiche gut gekleidetet Menschen. Sie hatten sich für eine Hochzeit versammelt, wie ich später erfuhr. Ich fuhr langsam näher. Da ein kleines Motorboot am Steg lag, fragte ich nach der Wassertiefe am Steg. Ca. 3 Meter war die einstimmige Auskunft. Später stellte sich das als leicht übertrieben heraus. Das Echolot zeigte 1,5 Meter. Reichte aber trotzdem. Man nahm Leinen entgegen und erbrachte meine Glückwünsche an das Brautpaar.
Der zwischenzeitlich der Sonne gewichene Regen kam zurück. Ich fragte im Restaurant nach, ob ich bis morgen dort liegen bleiben dürfte und was es kostet. Die Antwort war positiv. Es kostet nichts, man würde mich aber gerne im Restaurant begrüßen. Dem Wunsch kam ich abends gerne nach. Sie hatten einen sehr gut trinkbaren Chablis, konnten aber genauso wie in Finnland und den Aalands keine Flaschen verkaufen. Das Restaurant war gut besucht. Es hatte eine sehr schöne Terrasse und lag oberhalb des Stegs auf einem großen Felsen. Genauso, wie in allen anderen Restaurants war die Bedienung sehr nett und freundlich und das Essen ebenfalls sehr gut. Sie machen hier noch eine sehr schöne Rotweinjus und Sauce Bernaise zum Entrecote oder Steak.
Später gönnte ich mir eine gute Zigarre und den dazugehörigen Rum, den ich in Riga gekauft hatte. Das Wasser war nun spiegelglatt und der Ausblick aus meiner Kabine war ab Abend genauso schön, wie am nächsten Morgen.
Ich ging früh Joggen und erkundetet so die kleine, sehr schöne Insel mit vielen bestens geflegten Anwesen. Auch die kleine Kirche war sehenswert im Hafen gegenüber kam ich kurz mit einem Deutschen ins Gespräch. Er bestätigte, dass es hier nur wenige Häfen gab und man meistens in Buchten am Felsen liegen würde. Das fällt für mich aus, obwohl ich extra Felsenhaken gekauft habe. Aber alleine mit dem Anker das Schiff an den Felsen zu fahren, überzuspringen und am Haken die Leinen zu befestigen ist mir dann doch zu riskant. Vielleicht mache ich das mit Lili mal.
Im kleinen Einkaufsladen kaufte ich Brot, Eier, Speck und Milch und legte nach einem guten Frühstück gegen 12 Uhr ab. Davor hatte ich ca. eine halbe Stunde über der Karte gebrütet, um mir einen geeignete Tagesstrecke zu erschließen. Schließlich hatte ich eine gefunden und die Route auf den Plotter übertragen. Rund 30 Meilen lagen vor mir. Anfangs musste ich motoren, da der Wind genau auf die Nase kam, später konnte ich dann mit Großsegel und der Selbstwendefock den Sund runterkreuzen. Der Wind hatte auf 4 Bft. aufgefrischt und als ich in den Furunsund einlaufen wollte, kam meine alte Bekannte die Glory der Viking-Line von hinten angedüst. Ich musste drei Kringel fahren, da ich nicht vor ihr in die Enge reinfahren wollte. Der Wind hatte Böen und drehte wie auf dem Wannsee. Man musste also etwas aufpassen. Ich reihte mich also hinter der Viking ein, nahm die Fock weg und die Maschine zur Hilfe. Nach einer viertel Stunde konnte ich die Maschine wieder gegen die Fock tauschen und weiter südlich kreuzen. Der Sund ist an dieser Stelle reichlich bewohnt. Zahlreiche Boote flitzen an mir vorbei, die Sonne schien weiter und es war schönes Segeln. Später wurde es leerer und auch kühler. Gegen 19 Uhr bog ich nach Backbord in eine Bucht ab und der Anker fiel bei 9 Meter und wurde mit 30 Meter Kette ordentlich eingefahren. Ich machte mir die noch in Mariehamn gekochte Minestrone warm. Nachdem ich mein Buch ausgelesen hatte (Achtsam Morden!) ging es in die Koje – wieder mit bester Aussicht.
Der Sonntagmorgen begann trübe aber mit nördlichem Wind. So machte ich mich nach dem Frühstück auf und segelte nur mit dem Groß den Sund weiter nach Süden. Ich wollte in einen Marina namens Svinnige Vik. Hier bin ich morgen mit einer Werft verabredet, die sich um mein defektes Reff kümmern wollen. Ein unspektakulärer Törn, der mit Regen endete. Die große Marina lag in der Windabdeckung und ich konnte in eine Boxengasse zu einem Gastlieger fahren und dort festmachen. Der Regen wurde stärker und ich verzog mich in die Koje. Abends übte ich ein bisschen Klavier, fing ein neues Buch an und kümmerte mich ein bisschen um die Buchhaltung. Morgen früh hoffe ich, dass die Jungs von der Werft das mit dem Reff hinbekommen. Es muss wahrscheinlich ein neuer Schlitten eingebaut werden. Dann steht Büroarbeit an. Am Montagabend oder am Dienstagvormittag soll es dann nach Stockholm gehen. Hier ist Starkwind für die nächsten Tage angesagt, da wäre ich gerne im Hafen von Stockholm. Lili kommt Donnstagvormittag für ein paar Tage an Bord. Darauf freue ich mich schon sehr.
Das 1. Reff funktioniert nun wieder. Die Jungs von der Werft kamen gegen 09.00 Uhr. Mit einer langen Stange und einem Haken am Ende versuchten sie ca. 45 Minuten lang, den Schlitten nach hinten zur Baumnock rauszuziehen. Schließlich mussten sie den Baum noch am Mast lösen, dann schafften sie es. Der Schlitten aus Plastik war tatsächlich gebrochen. Die Gründe dafür sind nicht genau zu definieren. Der neue Schlitten war dann schnell eingezogen und nach einem großen „Dankeschön“ meinerseits und 30 EUR Tipp und ca. 200 EUR für die Reparatur machte ich mich gegen Mittag auf den Weg nach Stockholm. Anfangs mit Maschine bis kurz hinter Vaxholmen danach unter Vollzeug den Sund nach Stockholm. Tolles Wetter, das bis kurz vor Stockholm anhielt. Vor einer dunklen Front die von hinten aufzog, waren die Winde wechselhaft so dass ich beschloss, alles zügig einzupacken und den Rest mit Maschine zu bewältigen. Der Hafen liegt genau im Zentrum in einer Art Bucht. Es herrscht unglaublich viel Verkehr. Ausflugsdampfer, kleine und große Fähren, Segelyachten, Motorboote ein unheimliches Durcheinander. Vor dem Hafen liegt ein großer Vergnügungsparkt mit riesigen Achterbahnen und weiteren Attraktionen. Im Hafen machte ich rückwärts an einem Schwimmsteg fest. Zahlreiche helfende Hände machten es einfach. Hier bleiben ich bis ca. Freitag und fahre dann mit Lili weiter nach Süden. Ich bezahlte beim Hafenmeister, buchte eine Waschmaschine für Mittwoch und schlenderte dann ein wenig in der Stadt herum. Alles sehr schön, viele tolle Gebäude, Einkaufsstraßen, Museen etc. Ich kaufte mir eine schöne Hose und ein passendes Hemd dazu. Aß im Restaurant fein Pizza, nahm noch einen Absacker in einer Bar und kehrte dann zur Moyenne zurück. Am Dienstag (8.8.23) holte ich die vernachlässigte Büroarbeit nach. Es regnete sowieso. Zum Frühstück gab es leckere Brötchen vom Bäcker-Bus, der morgens hier vor dem Hafen seine Backwaren anbietet. Anschließend besuchte ich das Vreck-Museeum und das Vaasa-Museeum, hier wird das größte und besterhaltenste Kriegschiff aus dem Jahr 1628 zu 98% aus Originaltteilen präsentiert. Das Schiff war nur wenige hundert Meter nach den ersten Auslaufen gesunken.
© Gustav Burckschat