Turku hat uns ja nicht so vom Hocker gerissen. Die Stadt war recht langweilig, der Hafen allerdings nett. Dies lag u.a. an den verschiedenen alten Schiffen und Krananlagen, die zum Maritimen Museum gehörten. Wir blieben trotzdem einen Tag und fuhren erst am Montag, den 26. Juni weiter. Für mich war es der 64. Tag auf der Moyenne! Die Fahrt durch die finnische Schärenwelt erfolgt über verschiedene, vorgegebene Ruten. Die grünen Routen sind die für „Kleinfahrzeuge“ und somit etwas romantischer als die großen Routen, die auch von den Fähren und der Berufssschifffahrt genutzt werden.
Der Wind war besser als im Windfinder vorhergesagt und so kreuzten wir erst in Richtung Westen und dann weiter südlich. Die Sonne schien erneut. Am Himmel ein paar Schäfchenwolken. T-Shirt und Shortswetter und das nun schon seit Tagen. Die Route verlief erst entlang der großen Schifffahrtslinie, dann bogen wir nach Steuerbord ab. Gegen Nachmittag nahm der Wind ab und wir motorten weiter. Christian hatte eine Ankerbucht in „Toras Viken“ für uns ausgesucht, in die wir gegen 19 Uhr einliefen. Es sollte die Traumbucht schlecht hin werden. Der Anker fiel bei 5 Meter Wassertiefe und wir steckten 20 Meter Kette ins saubere grüne Wasser. Dann wurde ausgiebig gebadet und bei einem kühlen Weißwein der Abend begonnen. Es gab einen großen Salat mit Hähnchen. Auf dem Vorschiff wurden hunderte von Fotos von der Szenerie geschossen, die immer kitschiger wurde. Die Fotos wurden fleißig im Netz verteilt und nach einigen Motiven merkte Mario an, dass es nun „reicht“ Haha. Es war wirklich traumhaft schön. Als die Sonne um 23 Uhr unterging blieben wir noch eine halbe Stunde sitzen, um die Färbung des Himmels zu bestaunen. Die Ruhe, das Licht, die Stimmung insgesamt. Traumhaft. Es überkam mich ein tiefe Zufriedenheit und Dankbarkeit, dass ich diese Reise machen kann. Ich dachte an meine Eltern und an meinen Bruder, telefonierte lange mit Leonie, um die Eindrücke mit ihr zu teilen.
Gegen 23.30 Uhr verzogen wir uns in den Salon und saßen noch lange bei Musik und weiteren Getränken zusammen. Um halb zwei verabschiedetet ich mich in die Koje.
Die Entscheidung, einen weiteren Tage hier zu bleiben war schnell getroffen. Christian und ich bauten das Schlauchboot das erste Mal auf. Nach ca. 1.5 Stunden unternahm ich die erste Probefahrt. Alles bestens. Erneut stellte sich die Beratung durch Herrn Selbmann vom Bootsladen Berlin also perfekt und passen heraus. Der Rest des Tages verging mit Chillen, Lesen und Angeln (leider erfolglos). Abends gab es lecker Gemüserisotto, danach erfolgte dasselbe Ritual, wie am Vorabend, nur dass wir früher ins Bett gingen.
Am Mittwoch früh lichteten wir bereits um 09.00 Uhr den Anker und fuhren aus der Bucht heraus und weiter ging es Richtung Westen. Anfangs unter Maschine, später setzten wir bei auffrischenden Wind die Segel. Dass wieder die Sonne schien, brauche ich nicht zu erwähnen.
Wir wollten weiter in Richtung Mariehamn kommen und so folgte wir zunächst der großen Wasserstraße, die auch von den Fähren benutzt werden. Gefrühstückt wurde unterwegs. Wind und Flauten wechselten sich munter ab, so hatten wir mit Segelsetzen und Segelbergen zu tun. Außerdem natürlich mit der „Sicht-Navigation“. Gen 15.45 Uhr passierten wir Barö Förden, einem sehr engen Fahrwasser folgend liefen wir eine Stunde später in einem kleinen „Bullabü-Hafen in Lappo ein. Hier kam zum ersten Mal der neu erworbene Heck-Anker-Haken zum Einsatz. Er funktionierte perfekt und so fuhr uns Michael perfekt an den Steg. Es war der 40zigste Hafen auf dieser Reise (inkl. Ankerbuchten). Das gekaufte „Anleger-Bier“ stellte sich als alkoholfrei heraus, das war aber schon das einzige Manko. Abends grillten wir unsere Reste an Fleisch und Maiskolben. Die Hafengebühren lagen wieder einmal bei 30 EUR inkl. Strom und Duschen. Das ist hier der Einheitspreis unabhängig von der Schiffslänge.
Bevor wir am nächsten Tag weiterfuhren, fuhren wir – quasi als Training – noch ein paar Anlegemanöver rückwärts an den Steg. Vielleicht habe ich Christian sogar davon überzeugt, sich rückwärts ans Ruder zu stellen, wie ich es von Frank Weber (meinem Super-Segel- und Anlegertrainer über viele Jahre erklärt bekommen habe!!). Es ist aus meiner Sicht die beste Art des Anlegens, da man frei Sicht hat und das Schiff steuert wie man „Autofährt“. Weiterer Vorteil, man kommt mit Vorwärts- und Rückwärtsgas nicht durcheinander. Michael hat sich daran auch schon gewöhnt.
Von Lappö ging es in die nächste Traumbucht (Svinskär), die alles bisherige übertreffen sollte. Sie war nur schwer zu finden und so gestaltete sich die Einfahrt kniffelig. Es ging nur mit Standgas durch den Felsen-Dschungel an zahlreichen Untiefen vorbei bis fast ganz nach hinten durch. Der Anker fiel bei 6 Meter und rund 22 Meter Kette. Dann Ruhe. Rundumblick und erkennen: Das ist die Traumbucht, schöner kann es nicht mehr werden. Ringsum nur Natur, kein anderes Geräusch als das Plätschern der Wellen am Felsenrand, Möwengeschrei, Flügelschlagen, leises Blätterrauschen. Nachdem wir gebadet hatten, machten Michael und ich uns auf den Weg zu Ufer. Den Torqueedo ließen wir in der Backskiste und nutzten stattdessen die Ruder. Die Felsen fielen zum Wasser flach hin ab und waren unter der Wasseroberfläche recht klitschig. Wir gelangten ohne nass zu werden ans Ufer und kletterten auf den Felsen. Von hier aus, hatten wir eine fantastische Aussicht über die Bucht auf die Moyenne und die weiter dahinter liegenden Inseln. Man kann die Szenerie mit Worten nicht beschreiben. Wir endeckten noch eine altes Schiffswrack, hier hatte sich wohl jemand zu nah ans Ufer gewagt. Das Gerippe schaute aus dem Wasser und ermahnte uns, bei der Navigation stets wachsam zu bleiben. Wir holten Christian samt Wein und Fotoapparat ab, später fuhr ich erneut zurück, um die Drohne, Eis, Gin und Tonic zu holen. Wir blieben bis zum Sonnenuntergang auf dem Felsen. Tranken Wein und Gin Tonic, ich rauchte eine dicke Zigarre, ließ die Drohne fliegen und jeder machte gefühlt Tausend und Ein Foto von der Szenerie und dem traumhaften Sonnenuntergang um ca. 23 Uhr!
Wir erhoben die Gläser auf die Moyenne und die tolle Tour, die ich bis dato erst mit Christian, dann mit Michael und Karin und dann mit Christian und Michael seit Riga bzw. seit Helsinki unternommen hatte.
Am Freitag, den 30.6. ging dann weiter, da wir am Samstag in Mariehamn sein mussten. Wind und Wetter zeigten sich von der besten Seite S-SW 4, also ideale Bedingungen. Mit Vollzeug ging durch die große Fahrwasserstraße in Richtung NW. Nordholmen lassen wir an BB und tauschen später die Genua gegen die Fock, da wir kreuzen mussten. Das Fahrwasser wird nun extrem schmal und wird durch Untiefentonnen links und rechts begrenzt. An so ziemlich der engsten Stelle kommen uns kurz nacheinander die Viking Line, die Finnlines und die Silvja Line entgegen, bzw. überholen uns. Es ist erstaunlich, dass die hier mit knapp 20 Knoten durchbrettern.
Am Himmel deutet sich ein Wetterwechsel an, es bezieht sich zunehmend und wir tauschen kurze gegen lange Hosen und T-Shirt gegen Sweatshirt und Windjacke. Der Hafen von Degerby ist nichts Besonderes. Wir gehen längsseits hinter einen deutschen Segler und vor eine Motoryacht. Michael fährt das ganze Manöver sehr gut, daher wollen wir im Hafenrestaurant, welches auf der Terrasse fein mit weißen Tischdecken auf Gäste wartet ,darauf einen Anleger trinken. Daraus wird nichts. Geschlossene Gesellschaft. Abends wird eine lokale Band erwartet und man hätte reservieren müssen. 90 EUR inkl. Dinner. Wir gehen zur angeschlossenen Pizzeria, trinken ein Bier auf Plastikbechern und nehmen uns eine Pizza mit an Board. Eigentlich wollte ich früh in die Koje, aber Michael schlägt vor, in die Sauna zu gehen. Ich hatte das vermeintliche Saunahäuschen am Ufer ausgemacht, schön mit Steg zum Baden. Allerdings hatte ich mich getäuscht. Die Sauna war im Duschhaus, wenig attraktiv und nicht besonders heiß. Ein Gang reichte mir, und ich verzog mich danach in die Koje.
1. Juli. Ein besonderer Tag. Michael hatte Geburtstag. Die Moyenne wurde ordentlich beflaggt. Ich versuchte Brötchen zu bekommen, leider erfolglos, aber Christian machte lecker Tortilla. Vorher mussten wir noch die Gasflasche wechseln, was sich als nicht ganz einfach herausstellte. Wir mussten die Schlauchverbindung der alten blauen Flasche kappen und eine neue herstellen. Nach 45 Minuten war es vollbracht und es konnte weitergehen. Als Geburtstagsgeschenk gab es ein Crew T-Shirt der Moyenne (Michael liebt Crew T-Shirts :)). Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Mariehamn. Das Wetter wurde erstaunlicherweise immer besser und so gab es einen Segeltag vom Feinsten. Das 1. Reff konnten wir bald rausnehmen und kreuzten, andere Booten verfolgend (ein Fahrtenschiff ist ein Fahrtenschiff, zwei Fahrtenschiffe sind eine Regatta), Richtung Westen. Wir nahmen diverse „Abkürzungen“ durch schmale betonnte Fahrwasser, kamen an schönen Häfen und Buchten vorbei, bis vor uns Mariehamn auftauchte. Der Himmel wurde allerdings immer dunkler. Wir entschieden uns, die Segel zu bergen, um unter Maschine noch vor dem großen Regen im Hafen zu sein. Die Entscheidung fiel ca. 15 Minuten zu spät. Es fing an, wie aus Kübeln zu schütten. Also umdrehen und erstmal den Regen im Salon und vom Innensteuerstand abwettern. Nach 15 Minuten war alles vorbei und wir steuerten erneut den Hafen an. Es ging vorwärts in die Box.
Michael packte seine Sachen zusammen. Er würde am Sonntag früh um ca. 02.00 Uhr den Bus zur Fähre nach Helsinki nehmen. Christian hatte ein schönes Restaurant am Hafen für uns ausgesucht. Noch schöner war, dass uns Michael anlässlich seines Geburtstages einladen wollte. Als Vorspeise gab es Muschel und als Hauptgang Lachs bzw. Kabeljau, dazu einen schönen Riesling aus dem Rheingau. Gerne hätte ich davon noch 6 Flaschen mitgenommen aber hier auf den Aalands darf nicht vom Restaurant außer Haus verkauft werden. Unterhaltsam waren die zahlreichen aufgemotzten Autos, die vor dem Restaurant die ganze Zeit mit fett Musik aus den Lautsprechern vorbeifuhren. Von Rolls Royes, getunten Volvos, Cadillac bis hin zu frisierten Kleinwagen war alles dabei.
Vom Restaurant gings weiter in eine Open-Air Bar. Hier spielte eine Rockband (Die Purple) klassische Rocklieder vom Feinsten. Toller Sound, super Performance, gutes aber teures finnisches Bier. Es wurde ein langer Abend, der noch bei einem Drink an Bord bis Mitternacht andauerte. Nachdem ich mich von Michael, meinem wie immer vorzüglich agierenden 1 WO verabschiedet hatte, verzog mich in die Koje. Michael und Christian blieben noch sitzen, bis Michael zum Bus musste.
Der Sonntag startete mit recht schönem Wetter. Wir bauten das Dinghi ab und versuchten die innenliegende Halterung der Badeleiter wieder zu befestigen. Leider ohne Erfolg. Nach eine bisschen Chromputzen und Polieren der BB Seite, an der sich irgendwelche Streifen festgesetzt hatten machten wir einen kleinen Stadtbummel. Dieser fiel recht nass aus, da es zu regnen anfing als wir von der „Pommern“, die auf der anderen Seite der Landzunge liegt, zurückkamen. Abends besuchte ich die Sauna und ging nach dem Essen müde in die Koje.
In der Nacht regnete es und der Wind nahm zu. Ich ging trotzdem morgens Joggen und ging danach ins Büro. Es war einiges liegengeblieben und so hatte ich bis zum späten Nachmittag zu tun. Den letzten gemeisamen Abend verbrachten Christian und ich dann im „Dinos Bar und Restaurant“. Der Burger war wenn überhaupt mittelmäßig aber dafür war der Billiard Tisch frei und so spielten wir ein paar Runden Pool, um zum Schluss noch zum AC/DC Flipper Automat zu wechseln.
An Bord gab es noch ein Glas Silvaner zum Abschied dieser tollen gemeinsamen Reise. Wir hatten in 4 Wochen 4 Länder und ihre Hauptstädte besucht. Riga, Tallin, Helsinki und Mariehamn. Ab morgen würde ich für ca. 2 Wochen alleine weiterfahren. Darauf freue ich mich nun auch sehr.
© Gustav Burckschat