Gotlands Ostküste

Die Ostküste in Richtung Norden.
Der erste Abend in Gotland nach der großen Überfahrt verlief äußerst entspannt. Wir reparierten den Relingsdraht an am Gate an der Steuerbordseite und machten anschließend einen Spaziergang die Küste entlang. Irgendwo dort sollte es ein Restaurant geben. So hatte es Gilbert jedenfalls als Anzeige eines Info-Blattes entnommen. Kellner in Uniform mit Fliege sollten dort auf uns warten. Unsere Lebensmittelvorräte waren relativ erschöpft. Wir schöpften gleichzeit Hoffung.  Die ersten beiden Wünsche, nämlich Diesel zu bunkern und Einkaufen zu können (800 m vom Hafen entfernt) hatten sich ja schnell zerschlagen.  Der lange Spaziergang ging an der Küste entlang. Rechts vom Weg gab es eine riesige Anzahl von Kaninchen aller Coleur und Größe. Mehr war nicht los. Nur eine Frau war mit ihrem Terrier unterwegs. Sie meinte, es gebe tatsächlich ein Restaurant, wir sollte weiter hinten nach rechts abbiegen. Gesagt getan. Wir kamen tatsächlich an eine Art Siedlung, die den Charme eines FDGB Ferienheims der DDR. Wir schauten in den Speisesaal und beschlossen an Bord zu essen. Die Sonne stand noch hoch am Himmel als wir im Hafen ankamen. Wir beschlossen vor dem Essen erst einmal einen Drink in Kombination mit einer leichten Zigarre zu nehmen. Es sollte nicht der letzte Drink und auch nicht die letzte Zigarre des Abends sein. Da wir alleine im Hafen waren, hörten wir im Cockpit feine Musik und ließen es uns gut gehen.
 
Ich nutzte den nächsten Morgen, um Joggen zu gehen. Nach dem Frühstück ging es Richtung Ronhavnm. Dort sollte es auch Diesel geben und Einkaufsmöglichkeiten in 800 Meter Entfernung.
 
Die Fahrt dort hin war unspektakulär, der Hafen ebenso. Nichts los. Nur zwei kleinen Marineschiffe im ansonsten trostlosen Hafen. Keine Tankstelle, kein Wasser, im Hafen niemand ausser uns.
 
Auf der Suchen nach dem Supermarkt befragten wir (also Gilbert, der ja Schwedisch spricht!)  erst zwei alte Schweden in Ihrer Wagenburg, bestehend aus zwei Wohnwagen. Die Antwort war ernüchternd. 12 Kilomter entfernt könne man einkaufen. Sie hätten uns auch dorthingefahren, hatten aber schon Bier getrunken und wollten keinen Ärger mit der Polizei. Auf der Suche nach einem Mülleimer fanden wir einen Campingplatz aber keinen Mülleimer. Während ich denselben suchte hatte Gilbert eine Frau angesprochen und ihr unser Anliegen mitgeteilt. Und siehe: Sie versprach uns morgen früh abzuholen und zum Supermarkt zu fahren. Uhrzeitmäßig hatte Gilbert zwischen 0800 und 1000 vorgeschlagen, sie sagte nicht vor 1100 und man einigte sich auf 10 Uhr.
 
Zurück an Bord, gab es Reste-Essen, dann Zigarre, Rum von Elke und feine Musik. Wir plauderten über das bisherige Leben, was man bis dato ggf. anders gemacht hätte und kamen zu Schluss, dass wir ziemlich viel richtig und nur Weniges anders gemacht hätte. Auf unsere Kinder sind wir stolz und freuten uns über unsere 40-jährige enge Freundschaft.
 
Pünktlich um 10 Uhr kam Karina mit ihrem schwarzen Mitsubishi SUV und fuhr mit uns ins nächste Dorf. Dort langten wir kräftig zu und nach 20 Minuten war der Einkaufswagen gut gefüllt. Nach einer Stunden waren wir wieder an Bord. Die Lebensmittel wurden verstaut und dann verabschiedeten wir uns von dem doch etwas trostlosen Hafen in Richtung Herrvlk. Hier soll es Diesel geben. So richtig glaube ich daran nicht. Wir kreuzten 3 Stunden lang bei schönstem Wetter und leichtem Wind. Zum Mittag gab es Rührei mit Speck, Champignons und den Nudelresten von gestern. Anschließend einen alkoholfreien Cocktail. Der Wind schlief ein und wir nahmen den Diesel zu Hilfe. Gilbert schrieb Tagebuch, ich Logbuch.
 

Um 09.00 Uhr hatten wir erneut eine „Shuttle-Verabredung“ mit dem Mann, der uns gestern das Benzin verkauft hat. Anders als Karina am Vortag, kam dieser aber nicht. Wir warteten bis um halb zehn, dann machten wir uns auf, auf der Straße unser Glück zu versuchen. Per Anhalter nach Visby (50 Kilometer) war unser Plan. Das erste Auto in das gerade ein älteres Pärchen einstieg hätte uns wohl mitgenommen. Allerdings zeigte die Beifahrerin auf den Fond, der vollgepackt war mit allerlei Kram, so dass keine Sitzmöglichkeit vorhanden war. Das zweite Auto raste an uns vorbei, obwohl ich deutlich mit erhobenen Daumen unser Interesse an einer Mitfahrgelegenheit angezeigt hatte. Nach weiteren 5 Fußminuten sah ich im großen Vorgarten einen Mann, der gerade einen Koffer in seinen Volvo XC 90 lud. Ich fragte ihn, ob er nach Visby fahre und ob er uns vielleicht mitnehmen können. Er war um die 60, sicherlich Architekt oder im internationalen Handel tätig, hatte einen Wasserpudel und eine sympathische Frau. In 15 Minuten würde es losgehen, wir sollten kurz auf der Bank Platz nehmen. Das taten wir gerne und freuten uns, dass wir nun doch bequem und schnell nach Visby kommen würden. Kurze Zeit später saßen wir in bequemen Ledersesseln des Volvos und hatten eine nette Unterhaltung mit diesen freundlichen Menschen. In Visby angekommen, zeigte er uns, noch wo die zentrale Bushaltestelle sei. Zurück wollten wir den Bus nehmen, der uns bis 5 Kilometer vor unseren Hafen bringen sollte. Das Weitere würde sich, wie immer finden.

Visby ist eine schöne kleine Stadt, die zum Weltkulturerbe gehört und von alten Stadtmauern umgeben ist. Wir begannen den Stadtbummel allerdings vor den Stadtmauern in einem sehr netten kleinen Cafe mit einem Frühstück. Gemütlich saßen wir beschattet durch einen Apfelbaum und genossen unseren Cappuccino und eine Quiche. Gestärkt ging es durch das Tor der Stadtmauer in die Altstadt von Visby. Enge kleine Gassen, schöne Häuser und Gärten, kleine Geschäfte und Restaurant. Wir besichtigten alte Gemäuer, Kirchen, den sehr schönen Botanischen Garten, kauften frisches Brot und „Teilchen“ und ließen uns durch die Gassen treiben. In einem kleinen Laden erstanden wir noch Schokolade, Lakritze und Eis, dann machten wir uns auf den Rückweg. Wir beendeten den Stadtbummel in dem kleinen Cafe, wo wir von der netten Chefin augenzwinkernd erneut freundlich begrüßt wurden. Am Busbahnhof angekommen wartete bereits eine kleine Gruppe. Unter ihnen ein alter Mann mit einer großen Sackkarre auf der sich ein größerer Karton mit einem Rasenmäher befand. Gilbert hatte ihn morgens bereits beim Erwerb der Fahrkarten gesehen. Inzwischen schien er noch betrunkener. Der nette Busfahrer half ihm, die Sackkarre an Bord des Busses zu hieven und der Inhaber versuchte ebenfalls Platz zu nehmen, was ihm nach einigen Anläufen auch gelang. Türen zu und los. Der Busfahrer war eine sportlicher Fahrer und holte aus seinem Gefährt wohl das Maximum raus. Der Bus ratterte und polterte Richtung Osten. Eine Station hätte er im Eifer seiner Rennfahrerkünste fast überfahren, hätte die aussteige bereiten Gäste hinten nicht lauthals protestiert. So kam der Bus etwas verspätet aber dennoch zum Halten. An der nächsten Station musste nun die Sackkarre samt Besitzer den Bus verlassen. Das war ein größerer Akt. Der Mann wuchte seine Sackkarre umständlich vor der offenen Tür umher. Schließlich war die Sackkarre draußen und er stütze sich im 45 Gradwinkel wir auf einen Rollator auf der Karre ab. Dann ein großer Hüpfer seinerseits und er war tatsächlich draußen, leicht schwankend und sichtlich erleichtert. Wir waren es auch. Ich hatte ihn schon neben der Karre im Dreck liegen sehen. Wohin er allerdings wollte, blieb unklar. Lediglich zwei kleine Autos standen dort auf einem sandigen Platz, eines davon vorne rechts mit einem Wagenheber aufgebockt. Nun waren wir die einzigen Fahrgäste.

Wir konnten das weitere Geschehen nicht mehr verfolgen, da der Busfahrer bereits seine rasante Fahrt aufgenommen hat. Da die Endhaltestelle näherkam, war es Zeit zu Handeln. Wir hatten den Plan, den Busfahrer zu fragen, ob er uns nicht die 5 Kilometer zum Hafen fahren könnte. Wir hatten dafür 100 Schwedenkronen oder 10 EUR als Tipp griffbereit. Gilbert ging nach vorne, um den Busfahrer entsprechend zu fragen. Nach kurzer Zeit kam er breit grinsend zurück. Alles klar, er würde uns zum Hafen fahren. Privat-Shuttel mit öffentlichem Linienbus. Besser geht’s nicht. Am Hafen fragte er uns noch, wo unser Schiff liegen würde. Er hätte uns sicherlich bis auf den Steg gefahren, wenn es das Gewicht des Busses dies zugelassen hätte. So genossen wir den kurzen Fußmarsch von 50 Metern zum Schiff. Es war bis dato ein perfekter und überaus lustiger Tag. Es hatte sich wieder einmal gezeigt, dass alles klappen kann, wenn man sich traut, Menschen im richtigen Ton, um Hilfe und Unterstützung zu fragen.

Es folgten weniger schöne Stunden. Zum einen musste ich liegengebliebene Büroarbeit erledigen zum anderen und das war weit aus ärgerlicher hatten wir schon wieder Wasser im Schiff. Per Telko mit Herrn Schmidt versuchten wir weiter den/die Fehlerursachen zu finden. Wir bauten die Verkleidung beim Fäkalientank ab, kontrollierten dort die Schläuche, fanden aber nichts. Auch das Waschbecken war dicht. Dann sollten wir von hinten an die WC Anschlüsse schauen, also wieder die Vorschiffskammer ausräumen. Durch die enge Bebauung auf Grund der Office Version, konnte wir nur bedingt etwas sehen. Wir schraubten das Vectron Energie Gerät ab, um bessere Sicht zu haben. Ja da war eine kleines Ventil aus dem Wasser tropft, ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass das die Ursache sein. Unten am Anschluss zum WC stellten wir Feuchtigkeit aber beim Spülen auch keine wirklich Undichtigkeit fest. Als ich später einen Rotwein aus der Bilge der Eignerkammer holte, stelle ich fest das hier bis unter die Bretter das Wasser stand. Wo das herkommt? Keine Ahnung, denn eine richtige Verbindung vom Vorschiff konnte ich nicht sehen. Mal sehen, welche Lösung die Werft nun hat.

Wir gingen nach einem Abendbrot ob der Wassergeschichte etwas eingetrübt in die Koje. Gegen 06.00 Uhr wollten wir in Richtung Ventsplis aufbrechen.

Die Überfahrt nach Lettland war wenig spektakulär, da kein Wind. Also geruhsam 15 Stunden mit Maschine. In Ventspil legten wir gegen 21 Uhr an (Zeitverschiebung eine Stunde). Es ist ein Industriehafen, mit spät sozialistischem Charm. Egal wir waren ersteinmal hier. Der nette Hafenmeister und ein Nachbarlieger halfen beim Anlegen (Heckboje). Nach einem rustikalem Abendbrot ging es in die Koje. Schließlich waren wir ca. 18 Stunden auf den Beinen.

 
 

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