Lettland - Estland - Lettland

Ventspils – Mantu – Kuressare – Ruhu – Engure
 
Ventspils ist eine sonderbare Stadt. Der Hafen ist industriell geprägt. Große Gastanker können anlegen. Die Piers reichen weit in den Hafen hinein, wo auch Kohle verladen wird. Alles macht eine etwas postsozialistischen Eindruck. Der Hafenmeister hatte uns am Abend unserer Anreise freundlich empfangen und uns die Facilities gezeigt. Außen war man dabei alles hübsch zu machen, innen waren die Duschdecken bereit leicht schimmelig und alles wirkte wenig einladen. Uns war das aber zunächst egal. Abends sahen wir noch ein paar schwarze schnelle Schlauchboote anlanden und entdeckten weiter hinten ein Camp von Marine Tauchern.
Morgens machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden, wir mussten unsere Vorräte auffüllen und Bargeld besorgen. Die Stadt versprühte wenig Charme. Wir erkundigten uns bei einer Lettin, die mit Ihrer Mutter unterwegs war zum nächsten Geldautomat. Die Strasse runter und dann sollte er an der nächsten Ecke sein, war er aber nicht. Im Endeffekt fanden wir ihn genau an der Ecke in einem Supermarkt, wo wir die Frau gefragt hatten.
Nachdem wir die eine Straße hoch und die andere runtergelaufen waren, kamen wir an einen sehr schönen Platz und nahmen in einem ebenso schönen Cafe / Restaurant Platz. Ich bestellte eine Paella und Gilbert Hühnchen. Beides äußerst lecker und fein angerichtet. Gestärkt ging es in Richtung Hafenanlage und zur Kirche. Alles nett aber nichts Besonderes. Im Supermarkt füllten wir die Einkaufstauschen und marschierten zurück zur Moyenne. Im Yachthafen waren jetzt Aktivitäten festzustellen, die auf einen lustigen Abend hindeuteten. Die „Marines“  bauten einen Bereich für ein feucht fröhliches Get Together auf. Es waren Taucher aus verschiedenen Ländern, die sich einmal im Jahr hier zu einem großen Event trafen und ansonsten mit der Räumung von Minen beschäftigt waren. Ab 16 Uhr gings los. Die Musik wurde lauter, Trinksprüche erschollen, also genau genommen nur einer:  „What is the Name of the Game? dann kam irgendetwas Unverständliches, gefolgt von „What is the End of the Game? Irgendwie ging es aber um das Leeren von Bierflaschen. Es war eine sehr schöne Szenerie. Alles waren locker und fröhlich. Man quatschte und umarmte sich, tauschte T-Shirts und zwängte ich zu zweit in ein Toilettenhäuschen, welches mit einem Hubwagen angekarrt wurde. Irgendwann, als gerade einer im Häuschen war, kamen einige wohl auf den Gedanken, das ganze Ding samt Inhalt umzuschmeißen. Nach einigem Gewackel und Gelächter ließ man aber davon ab, sehr zu Erleichterung des Insassen.
 
Gilbert und ich beobachteten das ganz vor Vorschiff aus, ausgestattet mit einem Drink und einer Zigarre.
 
Abends wurde gegrillt, wobei das Fleisch nicht besonders doll schmeckte.
Die Party ging noch bis Mitternacht, dann war Ruhe. Am nächsten Morgen war alles Aufgeräumt und sauber. So muss es sein.
 
Nachdem wir Bilge, Motor, Motoröl und Keilriemen kontrolliert hatte, ging es in Richtung Estland, genauer gesagt Richtung Mantu, der Hafen, der am dichtesten erreichbar war. Rund 43 Meilen segelten wir an diesem herrlichen Tag. Der Wind kam aus SW mit Stärke 4 also alles bestens. In der Spitze liefen wir 7,2 Knoten und waren gegen 19.00 Uhr im Hafen fest. Die Moyenne hatte ein neues Land erreicht. Der Hafen war bis auf ein weiteres Boot (ein Pärchen, welches wir schon zum dritten Mal trafen) leer, aber unerwartet schön. Der Hafenmeister kam, fragte nach der Bootslänge und sagte, er würde uns nur 20 EUR für ein Schiff mit max. 10 Meterlänge berechnen. Im Hafenhandbuch machte der Hafen nicht gerade den besten Eindruck, um so überraschter waren wir über die gepflegte parkähnliche Grünanlage und den herrlichen Ausblick. Am nächsten Morgen ging ich Joggen und tauchte dann in der kalten Ostsee unter.
 
Das nächste Ziel war auch auf der Insel Saarema und zwar der Hafen von Kuaressare.  Der Wind war günstig aus WSW und frischte im Verlauf auf 5-6 auf. Die 24 Meilen vergingen schnell und wir begannen mit der etwas kniffeligen Ansteuerung. Diese wurde durch ein großes Regattafeld, mehrere Untiefen und nicht gerade detailreiche Karten erschwert. Letztendlich ging durch einen sehr engen Tonnenstrich. Links und rechts standen die Möven im Wasser oder brüteten mit anderen Seevögeln auf mit Schilf bewachsenen schmalen Landstreifen, die das Fahrwasser links und rechts umgaben. Im Hafen wehte es leider immer noch mit 18 Knoten. Es war erstaunlich voll. Wir peilten die Lage, der Hafenmeister deutete auf einen „guten Platz“ ich wollte aber den Schwimmsteg in Luv haben, so entschieden wir uns für eine andere „Box“, als alles klar war, konnten wir sicher einfahren. Der Luvlieger half mit der Achterleine. Er war allein unterwegs und wir erzählten ein bisschen nach dem wir Klar Schiff gemacht hatten. Die Flöde lag auch schon um Hafen. Wir marschierten in Richtung Hafenmeister, und nachdem wir dort bezahlt hatten, ging es in die Bar bzw. in das Restaurant. Wir bestellten zwei „Anleger“ und einen Tisch für den Abend und setzten uns in die Sonne. Abends fanden wir uns pünktlich um 19 Uhr im sehr gut besuchten Restaurant ein. Es wurde ein kulinarisches Highlight. Als Vorspeise gab es eine Art Thom Yang Gung, Gilbert aß danach das Risotto und ich die Linguine mit Pilzen und Trüffel. Dazu eine Flasche Chablis, anschließend Dessert und Espresso. Alles Bestens.
 
Am nächsten Morgen gingen wir in die Stadt, um dort zu frühstücken. Die Einwohner bereiteten sich auf ein Gin- und Musikfestival vor. Überall wurden Stände aufgebaut. Mädchen übten für einen späteren Laufsteg-Auftritt. Wir nahmen ein American Breakfast ein, kauften an einem Stand etwas Gemüse und Erdbeeren und gingen zur Burg der Stadt. Diese sollte ein der best erhaltesten Wehranlage im Baltikum sein. Sie war in der Tat beeindruckend und umgeben von einer parkähnlichen Landschaft inkl. Wassergraben. 
 
Gegen 13 Uhr liefen wir in Richtung der Insel Ruhnu aus. Dort wollten wir einen Hafentag einlegen, da der nächste Tag Südwind mit Böen der Stärke 7 bringen sollte. Es wurde ein perfekter Segeltag. Westliche Winde um 3-4 Bft. trieben uns auf die Insel, die zwischen Estland und Lettland liegt. Um 19 Uhr legten wir in dem kleinen, sehr gepflegten Hafen am Schwimmsteg an. Außer uns lag noch ein anderer Segler im Hafen. Kurz nach dem Festmachen winkte uns Martin herüber. Es würde Lettische Suppe geben und wir sollten doch rüber kommen. Also schnell eine Flasche Wein unter den Arm geklempt und rüber. Das Schiff war eine klassisch gebaute Yacht der 80er Jahre mit Mittelcockpit. Eine steile Treppe führte in den Salon. Klassisches Mahagoni, gemütliche Messe. Neben dem Eigner Martin saß noch Sergje mit seiner Frau am Tisch. Sie hatten schon gegessen, schöpften aber für uns aus dem großen Topf einen leckeren Eintopf. Die beiden Männer kannten sich seit ca. 10 Jahren und waren begeisterte Wracktaucher. Martin zeigte mir ein von ihm professionell gedrehtes Video, welches einen Tauchgang bei ca. 40 Meter zur „Bremen“ zeigte. Sergje hatte ein entsprechendes T-Shirt an, welches er stolz präsentierte. Er kam aus Murmansk, hatte ein Zahnlücke und war ein herzlich offener Zeitgenosse. Wir unterhielten uns auf Englisch über Gott und die Welt. Martin kam aus Riga, die anderen beiden wohnten 300 Kilometer weiter weg. Riga sei der Nabel der Welt für Martin, so zeigte es und jedenfalls Sergje an, indem er sein Hemd hochzog und mit seinem Finger ein Kreis um seinen Bauchnabel beschrieb. Ich holte noch eine Flasche Rum. Cola stand schon auf dem Tisch. Es wurde noch ein lustiger Abend. Schließlich verabschiedeten wir uns mit großzügigen Umarmungen, nachdem wir eine Abschiedsfoto per Go Pro gemacht hatten. „Go Pro, mach ein Foto“ hieß hierfür Martins Befehl an seine Kamera und nach drei Versuchen hatte es geklappt. Der Fingersteg schwankte etwas mehr als drei Stunden zuvor, als wir auf die Moyenne zurückkehrten. Was für ein toller Abend, und es war vollkommen egal welchen Nationalitäten am Tisch zusammensaßen.
 
Unsere Freunde hatten bereits den Hafen verlassen, als wir aus den Kojen krochen. Nach einem Frühstück verging der Tag mit Büroarbeit. Nachmittags putze ich Chrom und bereitete den Lachs vor, der abends auf dem Grill landen sollte. Zuvor besuchten wir die kleine Sauna mit Meerblick. Der Lachs kam mit Pfannengemüse und einem kühlen Weißwein. Als es kühl wurde, las Gilbert noch aus einem Tagebuch unserer gemeinsamen Reise nach Finnland vor, die wir 1982 unternommen hatten. Viele amüsante Erinnerungen kamen hoch.
 
Den Inselbesuch hatten wir dann für den nächsten Morgen Pfingstmontag vorgesehen. Zwei geliehene Fahrräder erleichterten den 3 Kilometer langen Weg nach „Downtown“. Auf der Insel leben ca. 60 Menschen. Wir besichtigten die älteste Holzkirche in Estland, ansonsten nichts los, bis auf Mücken und Bullabü-Atmosphäre. Allerdings ist man gerade dabei, den Flugplatz zu erweitern. Tag und Nacht wurde kurz vor der Insel Kies aus dem Wasser gebaggert und zum Flughafen gekarrt.
 
Nachdem wir Wasser uns Diesel gebunkert hatten, machten wir uns wieder auf den Weg nach Lettland. Diesel benötigten wir, da kein Wind wehte. Also Maschine an und Kurs 185 Grad im Autopilot eingestellt. Ein Dampfer musste natürlich mit Wegerecht unseren Weg kreuzen. Gegen 19 Uhr wollten wir im Hafen von Engure sein.

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