Nach einem Kundentermin fliege ich am Dienstagabend von München wieder zurück nach Göteborg. Michael, mein „Eins WO“ ist bereits seit Freitagabend an Bord. Seitdem ist das Wetter schlecht. Nur am Montag kam der Sommer kurzzeitig zurück. Die Lebensmittelvorräte sind aufgefüllt, gleiches gilt für den Wassertank. So können wir am Mittwoch schon gegen halb zehn den Gästehafen von Göteborg in Richtung Westen verlassen. Das Wetter meint es gut mit uns und als wir an dem „Abzweig“ in Richtung Marstrand angekommen sind, setzen wir die Segel. Es geht mit einem Kurs von Rund 350 Grad nach Norden. Wir fahren durch den Lila Kalvensund und passieren die Insel Barh an Steuerbord. Seehund sonnten sich auf einer Schäre und wir kamen mit bis zum 6.8 Knoten zügig voran. Kurz vor Marstrand kommen wir an eine große „Kreuzung“. Aus allen Richtungen kommen uns gelbe Autofähren entgegen oder kreuzen unser Fahrwasser. Diese stellen die Landverbindungen zwischen den zahlreichen Schären her, durch die wir uns durchnavigieren. Kurz vor Marstrand geht es durch eine sehr schmale Durchfahrt. Zu beiden Seiten beträgt der Abstand ca. 10 Meter. Gott sei Dank kommt uns keiner entgegen. Dann öffnet sich die Enge und Marstrand liegt vor uns, unschwer erkennbar durch die hohen Festungsanlagen auf der Kuppe der Insel. Vor rund 30 Jahren war ich schon zweimal hier. Einmal an Bord der SS Amphitrite und ein paar Jahre später auf dem ersten eigenen Ostseetrip mit Annette, Stella und Hannes. Nun also das Wiedersehen mit dem schönen Hafen. Wir machen an einem Schwimmsteg fest. Der Hafenführer hatte uns vorgewarnt. Bei SW Winden steht ein ordentlicher Schwell im Hafen. Moyenne ruckt immer wieder spürbar in die Festmacherleinen und so kommt der mitgeführte Ruckfender an der Steuerbord-Bugleine zum Einsatz. Dieser hilft ein wenig, trotzdem sollte es eine unruhige Nacht werden. Vorher erkundeten wir Marstrand. Viel los war hier noch nicht. Zum einen war das Wetter bescheiden, zum anderen steht die Gegend erst vor Beginn der Saison. Gestern hatte ich eine offene Naht an einem oberen Mastrutscher am Großsegel entdeckt. Diese wollte ich nun nähen. Voller Erwartung holt ich die teure Liros Takeltasche hervor und stellte fest, dass kein Segelmacherhandschuh vorhanden war. Also machte ich mich auf die Suche nach einem passenden Geschäft. Dabei kam ich mit zwei deutschen Seglern ins Gespräch. Sie wollten morgen eine Soloregatta mitsegeln. Ich dachte an die Wettervorhersage, die Böen mit bis zu 7 Bft angab und wünschte viel Erfolg. Mit der Fähre setzte ich über und fand einen Yachtausstatter, der aber das gewünschte Teil nicht hatte. Auch bei einem weiteren Geschäft war ich erfolglos. Auf dem Rückweg zum Schiff traf ich den Eigner einer großen seegängigen Yacht und fragt, ob er das gewünschte Hilfsmittel an Bord hätte. Die Anwort war positiv, er musste den Handschuh nur suchen. Nach einem fünfzehnmenütigem Smalltalk mit seiner Frau, erschien er mit dem Hilfsmittel und freute sich, dass er nun wenigste wusste, wo dieser sei. Michael und ich zogen uns wetterfest an und begannen das Segel zu nähen. Das stellte sich als schwierig heraus, da wir auf den Maststufen stehen und noch ordentlich strecken mussten, um an die entsprechenden Stellen zu kommen. Dadurch war der Druck auf die Nadel, bedingt durch den schlechten Anstellwinkel nicht besonders groß. Die Naht hätte keinen Segelmacher begeistert, sie würde aber halten. Für ein besseres Ergebnis hätte ich das ganze Großsegel abschlagen müssen und dazu hatte ich bei dem kalten, und sehr frischen Wind keine Lust, zumal auch noch Regen aufkam.
Da der Wetterbericht auch für den nächsten Vormittag keine Besserung versprach, beschlossen wir erst am späten Nachmittag weiterzufahren.
Am Nachmittag werfen wir die Leinen los. Es herrscht frischer Wind von querab, wir besprechen das Ablegemanöver, lösen unsere diversen Leinen und dann geht es recht flott vom Schwimmsteg nach achtern. Der Wind drückt den Bug in die gewünschte Richtung und wir klarieren noch im Hafen Leinen und Fender. Draußen wird uns reichlich Welle erwarten, die sich aus Westen in den letzten Tagen aufgebaut hat. Und so ist es auch. Mit uns fahren mehrere Nimbus Motorboote und Yachten aus dem Hafen in Richtung Westen. Als wir das schützende Land verlassen, kommt eine ordentliche Welle von vorne auf uns zugelaufen. Der Bug der Moyenne steigt im gefühlten 45 Grad Winkel auf und wieder ab. Aber – im Gegensatz zu vielen Charteryachten, die ich gesegelt bin, bleiben die Bewegungen harmonisch. Die 50 PS von Volvo Penta bringen uns mit 4 Knoten über Grund gegen an. Kurze Zeit danach fallen wir nach Steuerbord ab und setzen nur die Fock. Es geht mit halbem Wind ca. 15 Minuten nach Norden, ehe wir wieder nach Osten eindrehen. Vorbei an Felsen, an denen sich die hohen einlaufenden Wellen beeindruckend brechen, rauschen wir in den Almund-Sund hinein. Beim Rudergehen ist Obacht geboten, damit keine Welle von achtern das Boot quer zur Welle bringt. Aber Moyenne lässt sich gut steuern und nach ca. weiteren 15 Minuten beruhigt sich das Ganze. Wir belassen es bei der Fock, da der Wind von achtern kommt. Die Sonne kommt heraus und linker Hand zeigt sich die Landschaft abwechslungsreich mit vielen sehr schönen Sommerhäusern. Vogelgezwitscher dringt zu uns herüber und wir passieren um 19 Uhr die Almund Sund Brücke, nehmen die Fock weg und finden nach knapp 15 Seemeilen einen sehr schönen kleinen Hafen und legen uns an einen Schwimmsteg. Die Temperaturen sind angenehm. Es gibt Schweinefilet mit Ananas, Krabben und Basmatireis. Vor uns liegt eine ruhige Nacht, ohne Geruckel und Regen. Eine Wohltat. Wir schlafen aus und decken uns im nicht weit entfernten Supermarkt mit der benötigten Milch und einigen weiteren Dingen ein. Der Supermarkt ist wirklich ein super Markt und hätten wir nicht noch Vorräte für die nächsten zwei Tage hätten wir uns hier mit allerlei Köstlichkeiten eindecken können. Der Hafenmeister kommt auch noch vorbei und wir bezahlen stolze 320 SEK für den Liegeplatz inkl. Strom. Da war es in Marstrand preiswerter. Egal, weiter gehts durch den Sund. Wir fahren von Marstrand kommend einen großen U-Turn. Das Wetter ist gut und wir segeln unter Vollzeug durch den Skäpesund schließlich wieder in Richtung Westen durch den Schärengarten. Wir passieren drei große Muschelzuchtfelder. Hinter uns tauchen zwei Verfolger auf. Ich beginne hektisch die Segel zum Trimmen und Michael steuer hochkonzentriert, doch die Verfolger kommen schnell näher – kein Wunder. Beide haben die Maschine mitlaufen. Wir entspannen uns wieder und konzentrieren uns auf die Kartenarbeit, um die Abzweigung zum heutigen Hafen zu finden. In Brörnholmen machen wir längsseits fest. Im Hafen gibt es heute eine EM-Übertragung und wir erleben den ersten Sieg der deutschen Nationalmannschaft. Da am nächsten Tag wieder starker Wind angesagt ist, legen wir einen Hafentag ein. Ich gehe morgens Joggen und mittags geht es in die sehr schöne gelegene Sauna, die mit Holz gefeuert wird. Von hier aus hat man einen fantastischen Ausblick in den Fjord und kann nach dem Saunagang im Meer schwimmen gehen. Herrlich. Wir haben die Sauna eigentlich nur für 1 Stunde gemietet, da aber keiner kommt, bleiben wir ca. 1.5 Stunden und kehren zufrieden auf die Moyenne zurück.
Am Sonntag (16.6.) brechen wir um halb eins auf und segeln ersteinmal zwei Stunden den gleichen Weg von gestern zurück, bis wir weiter nach Norden abdrehen können. Eine erneute Regatta mit einer Hanse 37 mit Foliensegeln verlieren wir, da wir erst zu spät die Fock gegen die Genua tauschen. Um 15 frischt der Wind auf und wir nehmen das erst Reff ins Groß und bergen das Vorsegel. Der Wind von achtern frischt auf und erreicht in Spitzen 28 Knoten True Wind. Moyenne stellt mit 8,3 Knoten Speed den diesjährigen Rekord auf und konzentrietes Steuern ist erforderlich. Eine unser Fahrwasser kreuzende Fähre rufen wir ordungsgemäß über Funk auf Kanal 6 an und erbitten Freigabe Passieren zu dürfen. Zahlreiche Fischzuchtgebiete werden ebenfalls passiert bevor wir die Brücke von Hägholmen im Hjaltosundet passieren. Dann fahren wir unter Maschine in den Kalvenfjord ein und finden eine schöne Ankerbucht. Nach einigen Kringeln zum Ausloten der Wassertiefe fällt der Anker auf 4 Meter. Wir lassen 20 Meter Kette raus, man kann ja nie wissen und fahren den Anker mit 2.000 Umdrehungen sicher ein. Abends gibt es das Highlight einer jeden Reise mit Michael: Hühnchen mit Spitzkohl und Joghurtsauce. Ein Fest. Die Nacht wird ruhig und kein Ankeralarm stört die Nachruhe. Morgens gehen wir zur Morgenwäsche natürlich „Baden“ und setzen nach einem ausgiebigen Frühstück Kurs auf Fiskebacksil gegenüber der Stadt Lysekil. Wir kreuzen erst durch den Koljöfjord dann durch den engen Björnsund. Aus diesem heraus setzen wir wieder die Segel. Das Wetter ist sehr schön. Von achtern holt eine Hallberg Rassy 69 (!) schnell auf. Sie ziehen an uns vorbei, haben aber dann Probleme den Code Zero zu setzen. Wir überholen unsererseits und ich verkneife mit der Bemerkung „Big Boats big Problems, small Boats small Problems“, den ich weiß, dass wir mit unserem Genacker bestimmt ebenfalls beim Setzen Probleme bekommen dürften. Um halbs sechs machen wir „römisch-katholisch“ im Hafen fest. Der Hafen bietet wenig und so beschließen wir am nächsten Tag, wenn der Wind etwas nachlassen sollte weiter zu segeln. Gesagt getan. Allerdings ist der Wind frisch und kommt mit bis zu 22 Knoten aus SW. Ich hatte vorsorglich bereits im Hafen das zweite Reff ins Groß gebunden und mit der Fock wird es eine rauchende Fahrt nach Norden. Die Wellen sind wieder recht ordentlich. Wir machen trotzdem rund 7 Knoten Fahrt und erreichen nach nur 1 SM Smögen. Eigentlich wollte ich in den Hafen Östlich von Smögen, da dieser ggf. mehr Schutz ergeben hätte aber da wir mit Segelbergen zu tun hatten und einer anderen Yacht folgten waren wir plötzlich in Smögen. Dort ergab sich weiteres Ungemach. Der Wind setzte quer zur Mole mit Moorings. Wir besprachen das Anlegemanöver wissen, dass wir der helfenden Hand am Steg die vordere Bugleine übergeben würden, um dann sofort die Luv-Mooring nach achtern zu bringen, damit das Heck nicht abtreibt. Aber das klappte alles nicht, da die Mooring von dem Nachbarlieger in Luv belegt war. Als das klar war, drehte sich das Heck schon nach Lee und kurze Zeit später lagen wir „sicher“ und von helfenden Händen und Federn behütet längsseits an der Mole. Ich ärgerte mich etwas über mich selbst, da ich meiner urspünglichen Idee, mich zwischen zwei Boote und mit dem Heck zur Pier zu legen nicht gefolgt war. Nun war es auch egal. Mit unserem sehr hilfsbereiten Nachbarn klärten wir ab, eine Leine von seiner Wisch und unserer Winsch auszubringen und „kurbelten uns so in die Richtige Position. Die Mooring wurde belegt und die Anspannung wicht. Später stellten wir noch einen etwas sicheren Abstand zu Mole her und beglückten die netten Nachbarlieger mit zwei Bieren. Der Spaziergang durch die Gemeinde brachte und 10 leckere Langostinos, die wir abends mit Genuss verspreisten. Ansonsten ist Smögen nicht unbedingt ein Stopp wert. Den Fischladen besuchten wir am nächsten Morgen erneut und erstanden drei schöne Makrelen, die wir im Hafen im Hamburgsund mit Kartoffeln und einem Gemüse aus grünem Spargel und Zucchini verspeisten. Dorthin waren wir am Vormittag aufgebrochen. Es stand eine hohe restliche See querab, aber auf Grund des guten Windes kamen wir zügig mit 5-6 Knoten in Richtung Norden. Es ging vorbei an zahlreichen Schären, Felsen, Tonnen und Leuchttürmen. Die Untiefen „Skagen“ ließen wir ab Steuerbord und nahmen um kurz nach 13 Uhr die Genua weg. Ich wollte bessere Sicht auf die noch schwer auszumachende Einfahrt in den Sund haben. Wir drehten ein und durchfuhren ein oranges gefärbtes Meer von Algen und Quallen. Anfangs hatten wir auf aufgewühlten Sand getippt aber bei 35 Meter Wassertiefe wurde schnell klar, dass es andere Gründe für die Färbung haben musste. Der Wellengang beruhigt sich und wir fuhren durch recht enge „Schluchten“, dahinter kreuzten sich die Fahrwasser. Von allen Seiten kamen Segler und Motorboote. Das Wetter war sonnig und die Temperaturen angenehm. Nur mit dem Großsegel fuhren wir in den Hamburgsund in nördlicher Richtung. An beiden Seiten die typischen schwedischen Holzhäuser, entweder mit weißem Holz und roten Dächern oder umgekehrt. Alles machte, wie immer hier in Schweden einen sehr gepflegten und „bulllerbü-mäßigen“ Eindruck. Wir nahmen das Großsegel weg und fuhren das letzte Stück unter Maschine. Kurz vor der Kabelfähre legten wir uns vor einen Schweden an den Steg. Maschine aus, aufklaren, Landstrom legen, Hafengebühr online bezahlen und die Sonne genießen. Gegen 17 Uhr fuhr ich mit der Fähre auf die andere Seite und fragte im Hafenrestaurant nach, ob sie das Fußballspiel Deutschland gegen Ungarn zeigen würden. Die Inhaberin und Ihr Mann, der Küchenchef, versprachen, die Fernseher für uns vorzubereiten. Michael kam mit der nächsten Fähre herüber, Wir bestellten Rose und etwas zu Essen und schauten uns den zweiten Sieg der Nationalmannschaft ab. Ich quatschte noch längere Zeit mit dem Küchenchef über die üblichen Themen wir Personal, Wareneinsatzkosten, Deckungsbeiträge etc. Dann ging es zurück auf die Moyenne. Auf Grund der Windvorhersage und des schönen Liegeplatzes wollten wir einen weiteren Tag hierbleiben.
Morgens gingen wir nach der Gymnastik gemeinsam Joggen, trafen einen Schweden, der uns auf einen kleinen Abstecher mitnahm und so wurden es dann rund 8 Kilometer. Sehr schön. Den Tag verbrachten wir mit Lesen, Putz- und Aufräumarbeiten und Kochen. Wir hatten ja noch leckere Makrelen auf dem „Zettel“.
Am Freitag legten wir gegen halb elf ab und fuhren aus dem Sund in Richtung Norden. Den gestern vorbereiteten Genacker zu setzen war der Plan, der leider schief ging. Irgendwie waren die Leinen noch nicht richtig, der Wind schraalete und wurde stärker und eine notwendige Kursänderung ließ uns das Unternehmen abbrechen. Wir hatten uns eine Ankerbucht ausgesucht. Beim Einfahren hatte der kühle Wind ordentlich zugelegt. Die Umrundung eines Felsens rechtsherum mussten wir auf Grund des „Flachwasser-Alarms“, ausgelöst durch Algen abrechen und fuhren auf der anderen Seite in die Bucht. Die SXK Bojen waren auch hier nur für 8 Tonnen ausgelegt. Das ergab jedenfalls die Aussage der einzigen und deutschen Yacht, die mit uns in der Bucht lag. Wir suchten einen Ankerplatz, der allerdings zu sehr an der 2 Meterlinie war, so dass es immer wieder Alarm gab. Also wieder Anker-Auf und etwas weiter vom Land weg, das ganze erneut. Nun war alles gut, aber die Luft durch den Wind kalt. Das änderte sich erst gegen 17 Uhr und Michael wagte sogar den Gang ins Wasser. Ich hatte das restliche Gemüse zu den Minestronen verarbeitet und abends gab es als zweiten Gang noch Lammkotletts mit Bratkartoffeln, dazu Rotwein. Rose-Wetter lässt noch auf sich warten. Morgen fahren wir nach Grebbestadt, hier kommt Karin an Bord und dann geht es gemeinsam nach Oslo.
© Gustav Burckschat